#Gastbeitrag#
Vollgepackt mit abertausenden Gedanken, Ideen, Verpflichtungen und Kontakten. Ich liebe dieses Leben der Vielfalt und Fülle – aber fühle mich auch oft völlig zerrissen von all den Verbindungen zu so vielen Menschen. Dann tauche ich ab, ziehe mich wenigstens für ein paar Stunden vollkommen zurück und bin unsichtbar. Meine Rettung. Zumindest für den Moment allein reisen.
Und dann atme ich tief und freue mich so unfassbar auf meine nächste Tour: allein. Ich werde meine Zerrissenheit abstreifen können, werde Ruhe und Stille um mich haben und meine Zeit völlig selbstbestimmt leben. Vorfreude pur!
Das absurde aber:
Die Vorfreude nimmt exponentiell zur Nähe des Abfahrtsdatums ab! Je näher ich mich auf den so sehr ersehnten Termin der Abreise zu bewegen, desto mehr beginne ich mich daheim wohlzufühlen. Je mehr ich mich dem Moment des Verabschiedens nähere und damit dem, worauf ich mich seit Monaten gefreut habe – um so wichtiger wird mir die Nähe meiner Lieben, der Genuss meiner schönen Wohnung. Selbst meine Stadt erscheint mir plötzlich als nicht verlassens fähig und der Alltag als durchaus golden… Verrückt, oder?
Die Angst vor dem Abschied
In den Tagen vor der Abfahrt frage ich mich unablässig, was ich eigentlich will, mit meinen Touren. Was bewegt mich, immer wieder zum allein reisen und in die Welt aufzubrechen? Allein zu sein, wochenlang in einem kleinen Kokon aus Stahlblech durch die Fremde zu zuckeln… Ist es inzwischen ein Zwang, mich zu beweisen? Ein Ritual? Eine Gewohnheit? Mutiere ich etwa mit dem sturen Beibehalten meiner gewohnten Lebensumgebung im Van etwa zu einem Spießer, der ewig das Gleiche tun will?
In den Tagen vor der Abfahrt werde ich zutiefst unsicher. Ich spüre die Angst vor der Einsamkeit und vor der Verlorenheit, die mich beide unterwegs befallen. Ein wenig Panik steigt bei dem Gedanken auf, mich wirklich wieder nur allein zu haben. Werde ich das diesmal aushalten? Werde ich mich in meiner Verletzlichkeit, auch Traurigkeit und manchmal auch Verzweiflung auf dieser Tour selbst trösten können? Werde ich auch auf dieser Reise wieder so viel Freude und Glück mit dem Alleinsein finden – oder werden mich meine Schattenseiten überrollen?
Face your Fears – mein Lebens- und Reisemotto
Ich fahre trotzdem. Trotz aller Ängste, trotz allem Abschiedsschmerz. Ich habe schon früh in meinem Leben entschieden, dass Angst mir niemals Hindernis sein darf. Und nicht umsonst hatte ich als Motto meines allerersten Solo-Roadtrips: „Face your Fears!“ Mein ständiger Begleiter, eine Art Mantra.
Ja: das ungute Bauchgefühl darf mein Berater sein, ich höre ihm sehr gut zu. Und ja: auch das Gefühl der Angst nehme ich sehr ernst. Aber ich sehe einfach nicht ein, dass ich in meinem Freiheits- und Bewegungsdrang gestoppt werde. Vielleicht mal gebremst. Vielleicht mal zur Pause überredet, zum Szenenwechsel gezwungen, zum Umweg geleitet. Aber wer ist stärker als mein Wille zur Freiheit? Die Angst – oder ich? Na, also…
Und tief in mir weiß ich, wie sehr beglückt ich von jeder Reise zurückkomme. Ich bin einfach sicher, dass ich alles schaffe. Mit Glück, Geduld und guter Laune. Und ich weiß (aus Erfahrung), dass ich auch an meinen schlechteren Tagen, an denen ich mich selbst nicht aushalten mag, trotzdem froh bin, alleine zu sein. Einfach, weil es etwas so Besonderes ist, eine Weile nur mit sich selbst unterwegs sein zu dürfen, eben allein zu reisen.
Wäre es zu zweit nicht schöner?
Ich weise mich selbst auf die Schönheiten hin, staune stumm und mit vollem Herzen, schüttle ungläubig, bewundernd den Kopf über so vieles. Dann packe ich diese Bilder in meinen Erinnerungskoffer, um sie mit niemanden so intensiv teilen zu können, wie ich sie erlebe. Bräuchte ich nicht doch jemanden, der dieses Erleben mit mir teilt? Ist geteilte Freude nicht doppelte Freude? Wie oft habe ich mir diese Frage schon gestellt -nur, um sie ziemlich klar beantworten zu können: Nein. Ich brauche niemanden bei mir. Es ist einfach zu schön, eine Weile mich nur um mich selbst zu kreisen. Es beglückt mich, mich nur um mich zu kümmern und nur auf meine Bedürfnisse achten zu müssen. Und ja: es macht mich sehr stolz und froh, wenn ich ganz alleine für mich sorgen und auf mich aufpassen kann. Wenn ich mich in der Welt locker zurecht finde und immer weiß, wo ich wirklich bin (ohne mich auf die Navigation von Gerät oder Mitreisendem zu verlassen). Wenn ich mich ganz alleine in schöne Momente hinein und aus hässlichen Situationen hinaus führen kann. Und ich brauche auch niemanden, um die schönsten Momente teilen zu können (noch nicht mal, um dort ein Foto von mir zu machen…)
Richtig: manchmal läuft mein Herz fast über vor Freude und Glück über diesen Moment und ich kann mich niemandem spontan zuwenden und jubelnd meine Gedanken in Worte packen. Aber könnte diese Freude wirklich gesteigert werden, nur, weil man zu zweit ist? Spürt man mehr, wenn jemand anderer das Befinden kommentiert? Brauche ich eine „Zweitmeinung“, um mich zu vergewissern, dass das Erleben gerade jetzt wirklich so fantastisch ist, wie es sich in meinem Herzen gerade anfühlt? Nein. Ich brauche in diesem Moment niemanden, der das Glück mit mir teilt, um es zu doppeln – ich habe einfach die Zeit für mich. Ganz ohne Unterhaltung, ohne Ablenkung. Ich darf in mir spüren, was mich jetzt gerade so erfreut. Was ich schmecke, rieche, spüre, höre… Ich beschreibe mir selbst diesen wunderbaren Moment und verinnerliche ihn in meinem ganz eigenen Buch der Glücksmomente. Momente, die zu schön sind, um sie „zerreden“ zu müssen. Oder darüber zu diskutieren, ob der eine bleiben, der andere weiter möchte…
Selbstbestimmtes Allein sein als Ankommen, allein reisen als Heilmittel?
Es hat eine andere Qualität, dieses alleine sein. Es ist nicht zu werten, ob besser oder schlechter. Ich kenne und liebe alle Formen des Reisens: zu zweit verliebt im Auto, als glückliche Familie im Wohnmobil, mit Freunden auf dem Motorrad…. Aber allein unterwegs zu sein ist etwas besonderes, etwas wichtiges – und wie ich immer wieder gerne behaupte: etwas gesundes, ja gesundendes, heilsames. Tage-/ wochenlang nur für sich zu sein ist ein Zustand, der in all dem vollen, übermäßig anstrengenden und schnellen Alltag einfach nötig ist: das Ankommen bei sich selbst.
Es geht mir – wie ich meiner Familie und meinen Freunden immer wieder versichere – nicht darum WEG zu fahren. Es geht um das HIN fahren. Hin zu Freiheit. Hin zu Selbstbestimmung, zur Konzentration auf das Wesentliche. Ich flüchte nicht vor zu viel und zu buntem Leben (das ich ja sehr liebe), sondern ich cruise in das langsame, das stille, das geruhsamere Sein. Nichts ist mir näher und mit mir einverstandener, als ich selbst. (Im Idealfall! Manchmal finde ich mich sehr anstrengend… aber das ist eine andere Geschichte…) Und dieses heilsame ganz-in-Ruhe-mit-mir-sein finde ich in der Regel zuhause nicht – weil alles drum herum so laut ist.
Ich sehe mich, wenn ich mich von außen betrachte, in meinem kleinen Van „Franz“ wie eine kleine Raupe in ihrem Kokon. Ich bin geschützt vor dem Außen und ganz zufrieden. Versorgt, in Ruhe gelassen – und wachsend. Mir ist, auch wenn ich schon so viele Reisen alleine unternommen habe, als würde ich mit jeder Herausforderung, die ich unterwegs bestanden habe, strahlender. Mit der Welt zufriedener – mit mir zufriedener.
Und weil das Thema Susann so am Herzen liegt, hat sie sogar ein Buch darüber geschrieben Solo Van Life
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